Wenn Jakob 2.0 in der Klasse sitzt
Zeulenrodaer Gymnasium ermöglicht erkranktem Schüler Teilhabe mit einem Avatar
Zeulenroda. Es ist still in der Klasse sechs im Friedrich-Schiller-Gymnasium in Zeulenroda. Vorn steht Mathelehrer Mario Kühhirt und erklärt Bruchrechnung. Auf der vordersten Schulbank gleich am Lehrertisch sitzt ein Mädchen mit einem langen Zopf. Ihr Banknachbar ist ein Avatar. Er sieht wie ein kleiner Roboter aus der Zukunft aus. Der Avatar hat Augen, die sich je nach Stimmung verändern können. Er kann seinen Kopf drehen und er spricht. Nein, nicht von selbst, sondern durch Interaktion mit Jakob. Gesteuert wird er über ein Tablet von dem Sechstklässler. Das Besondere ist, dass Jakob gar nicht in der Klasse sitzt, sondern den Avatar zu Hause im Bett oder auf dem Sofa liegend steuert.
Jakob ist ein guter Schüler. Vor einiger Zeit infizierte er sich mit Covid 19. Nach ein paar Monaten und lange nach der Genesung aber ging es ihm immer schlechter. Verdacht auf Long Covid. Jakob kann nur noch für ein oder zwei Stunden in die Schule gehen. Mehr schafft er nicht. Dann wird es ihm zu viel. „Wir haben gemeinsam mit den Eltern nach einer Lösung gesucht, wie Jakob trotzdem am Unterricht teilnehmen kann“, erzählt der Schulleiter Thomas Müller. Man habe von dem Avatar gehört, der beispielsweise für ein an Krebs erkranktes Kind in der Regelschule Pohlitz zum Einsatz kommt. „Das ist eine gute Möglichkeit, um dem Kind eine Teilhabe am Unterricht zu ermöglichen“, so der Schulleiter. Moderne Technologien müsse man nutzen.
Bisher wurde der Avatar von den Eltern für eine kleine dreistellige Summe im Monat gemietet. Der Landkreis Greiz übernahm zunächst die monatlichen Kosten. Landrat Dr. Ulli Schäfer hat sich dafür eingesetzt, dass über die Sparkasse Gera-Greiz und den Schulförderverein ein solcher Avatar angeschafft werden kann, nachdem er sich selbst ein Bild vom dem kleinen Helfer und dem Umgang damit im Unterricht gemacht hatte. Er zeigte sich beeindruckt, wie normal Lehrer und Schüler mit dem Avatar umgehen.
„Gute Bildung für alle Kinder und Jugendliche ist wichtig für ihre Zukunft. Da darf eine Erkrankung kein Hindernis sein. Modernste Technik hilft, wie Jakob und der Avatar beweisen. Mein Dank gilt dem Schulförderverein, unserer Sparkasse Gera-Greiz, dem Schulleiter und dem Lehrerkollegium sowie den Eltern, die aufgeschlossen sind für diese Form des Lernens", erklärt Landrat Dr. Ulli Schäfer und wünscht Jakob viel Erfolg beim Lernen und gute Genesung. 5000 Euro kostet so ein kleiner Helfer. Demnächst wird die offizielle Übergabe erfolgen.
Wenn Jakob etwas sagen will, leuchtet ein Licht am Kopf des Avatars grün. Über eine Kamera kann er auf die Tafel blicken oder den Kopf zum Lehrer oder seinen Mitschülern wenden. „Am Anfang war es schon komisch, dass dieser kleine Avatar statt Jakob in der Klasse sitzt, aber wir haben uns daran gewöhnt“, sagt Mitschüler Ben.
Elisabeth ist erst seit August in der Klasse. „Ich fand es am Anfang ein bisschen komisch, aber man gewöhnt sich sehr schnell daran“, erzählt sie. „Meine Klassenkameraden nennen den Avatar manchmal Jakob 2.0.“ Elisabeth kann sich gut vorstellen, dass es „ganz schön blöd“ für Jakob ist, wenn er nicht so zur Schule gehen kann, wie die anderen. „Aber mit dem Avatar kann er besser lernen. So kann er den Lehrer mal etwas fragen, wenn er etwas nicht verstanden hat.“ Denn Elisabeth weiß aus eigener Erfahrung, wie es ist, wenn man krank ist und alles alleine zu Hause nachholen muss und nicht mal schnell den Lehrer fragen kann, wie sie sagt.